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AutorenbildToni Froestl

Was ein Nickerchen mit Flüchtlingen zu tun hat

Eigentlich schreibe ich nur darüber, damit ein Begriff nicht ausstirbt.

Wer schreibt sonst schon über das Mittagsschläfchen? Wobei...? Von Blogs über Power-Napping habe ich schon mal gehört. Egal – sei es drum. Ich schreibe, weil ein Wort nicht in Vergessenheit geraten sollte.


Es ist das Wort, das meine Oma für das Mittagsschläfchen, die Nachmittagsruhe

verwendete: Sie nannte es: Noppforzen.

Theresia Fröstl

Sie wuchs auf im damaligen Sudetenland, einem Ort namens Langstrobnitz in der

Tschechoslowakei. Soviel ich weiß, war dieses Gebiet überwiegend deutschstämmig besiedelt, oder eben okkupiert…

Im zweiten Weltkrieg jedenfalls eroberten die Tschechen sich das Land zurück

und vertrieben meine Oma, meinen Vater und seine Geschwister. Auf ihrer Flucht landeten sie schließlich in Bayern, wo sie sich aus dem Nichts eine neue Existenz aufbauten.

Das, was meine Oma, diese kleine runzelige und doch so kräftige und willensstarke Frau alleine mit einer Schar Kinder aufbaute, hat mich immer schon schwer beeindruckt. Ihr Mann kam erst viele Jahre nach dem Krieg aus der russischen Gefangenschaft zurück.

Gerade mal angekommen, starb er an den Folgen seiner Torturen - man nannte es „Wasser“.

Meine Oma hat auch das nicht unterkriegen können. So wie sie sich ihre außergewöhnliche Güte stets bewahrte und natürlich ihren lustigen Dialekt, mit dem sie sprach.

 

Toni war der DAUNI. Sofa hieß Kanapee, Schläfchen machen eben Noppforzen.


Was mir noch in lieber Erinnerung geblieben ist: diese Frau, die mit ein paar Habseligkeiten auf einem Leiterwagen und vier Kindern im Gepäck fliehen musste, hat sich nicht einmal beklagt, nicht einmal hörte ich, wie ungerecht, wie schlecht die Welt, wie hart das Schicksal wäre. Stattdessen hat sie mit ihren kleinen Jungs und der noch kleineren Tochter zwei Häuser erarbeitet und mit eigenen Händen gebaut. Sie hat für gute Ausbildungen ihrer Kinder gesorgt und auch den Grundstein dafür gelegt, dass ich wiederum mit meinen Geschwistern so eine wunderbare Kindheit haben durfte und uns alle Wege offenstanden.

 

Es gibt also vieles, was ich ihr nie vergessen werde - aber eben auch, dass meine Großmutter und meine Eltern selbst Flüchtlinge waren, die in einem kleinem Kaff bei Eichstätt aufgenommen wurden und sich dort behaupten und integrieren mussten. Was auch damals nicht so easy war, wie ich aus Erzählungen weiß. Meine Mutter wurde als Kind ebenfalls aus dem Sudetenland vertrieben und landete zum Glück auch in Eichstätt, wo sie meinen Vater beim Tanzen traf. Der Rest ist Geschichte.

Ihr könnt Euch daher vorstellen, wie ich all diejenigen sehe, die nach Deutschland, nach Bayern kommen und sich hier eine neue Existenz aufbauen wollen und müssen - als direkter Nachkomme von Flüchtlingen.

 

Und ich fände es schön, dass die Kinder, die jetzt hier gestrandet sind, eines Tages voller Dankbarkeit und Stolz erzählen können, wie es ihre Großeltern und Eltern es geschafft haben. Und vielleicht überlebt dann auch ein besonderer Begriff eines lustigen Dialekts für das Mittags-Schläfchen. Meiner ist Noppforzen. Was ist Eurer?




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